Über Yama und Niyama
Yama und Niyama sind zwei Glieder des achtfachen Yogapfades.
Sie werden in Patanjalis Yoga Sutra beschrieben, welches vor etwa zweitausend Jahren entstanden ist, nicht später jedoch als im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung und 195 Verse umfasst. (Quelle: Über Freiheit und Meditation; Das Yoga Sutra des Patanjali; Übertragung und Kommentar von T.K.V. Desikachar; Verlag Via Nova; 7. Aufl. 2016)
Diese Verse sind in Sanskrit verfasst, einer alten indischen Gelehrtensprache.
Sutra heißt „Faden", kann aber auch das ganze Werk bezeichnen, so dass Patanjalis Yoga Sutra (PYS) auch als „Leitfaden für Yoga" gesehen werden kann.
Yama bedeutet soviel wie die Haltung, die wir gegenüber unserer Umwelt, unserem Umfeld und Mitmenschen einnehmen und Niyama stellt die Haltung gegenüber uns selbst dar, PYS 2.29.
Während der Yogastunden wird über diese Glieder häufig nicht gesprochen, da sie allgemeine Verhaltensregeln betreffen, die nicht extra geübt werden können.
Ist die Haltung, die wir uns selbst gegenüber haben wirklich wichtig?
Kann ich als einzelne Person viel bewirken?
Bin ich wichtig?
Ist meine Haltung von irgendeiner Bedeutung?
Diese Fragen stellen wir uns vielleicht manchmal, wenn wir unsere eigenen Handlungen hinterfragen, wenn es z.B. um die Auswirkungen unseres Tuns auf die Umwelt und unsere Mitmenschen geht.
Manchmal denken wir uns da vielleicht, dass unser Denken, unsere Haltung zu uns selbst keine Auswirkungen hat auf unser Leben, auf das Leben unserer Mitmenschen und unserer Umwelt.
Wir sind nur ein Mensch unter fast acht Milliarden und Billionen von anderen Lebewesen auf dem Planeten.
Was macht da schon unsere schlechte Laune aus? Wen kann es stören?
Unser Geist ist kein abgespaltener Teil von uns, sondern Teil des gesamten körperlichen und geistigen Systems.
Alles das, was unser Geist denkt, ist für uns die Wirklichkeit und wird für uns wahr, ist das wahre Erleben. Unser Gehirn verarbeitet und realisiert die Dinge, die wir denken und konstruieren, wenn wir uns mit der Zukunft beschäftigen, als wahr, denn unser Gehirn lebt nur in der Gegenwart. Unsere konstruierte Zukunft, die natürlich niemals die Wirklichkeit ist, wird aber als Realität angenommen und drückt sich immer direkt in den daraus folgenden körperlichen Reaktionen aus.
Wenn wir z.B. Angst empfinden aufgrund der momentanen unsicheren Situation und uns vorstellen krank zu werden, dann wirkt sich dies direkt auf unser gesamtes körperliches und geistiges System aus, denn für unser Gehirn ist die Vorstellung real.
Somit wird eine Stressreaktion im Körper in Gang gesetzt, d.h. die Herzschlagfrequenz erhöht sich. Das Herz, die Skelettmuskulatur und die Lunge werden besser durchblutet, die Bronchien weiten sich. Aus der Leber wird Zucker freigesetzt. Die Haut und andere innere Organe werden weniger durchblutet.
Diese Reaktion ist ganz natürlich, da wir evolutionär bedingt immer noch genauso auf gefährliche Situationen reagieren wie vor 10.000 Jahren, als der Säbelzahntiger hinter dem nächsten Busch lauern konnte. Unser rationales Denken entstammt dem präfrontalem Cortex, einem entwicklungszeitlich sehr jungem Gehirnareal. Da die Reaktion auf „Angst" jedoch von anderen, früheren Gehirnanteilen gesteuert wird, sind diese schneller als „unser Verstand" und die Stressreaktion kommt in Gang, da das Gehirn keinen Unterschied erkennen kann zwischen der Gegenwart und der Zukunft. Für das Gehirn ist immer Gegenwart. Die Vorstellung einer zukünftigen Erkrankung ist also für das Gehirn echt und somit wird direkt die Stressreaktion abgerufen.
Unsere Haltung uns selbst gegenüber ist daher wichtig, denn mit unseren eigenen Bewertungen über uns betreiben wir eine ständige Eigenhypnose. Alle diese inneren Bewertungen sind für uns wahr und werden durch häufige Wiederholungen immer weiter gefestigt.
Dies kann dann auch an unserer äußern Haltung sichtbar werden, indem wir ständig die Schultern nach oben ziehen, um den Hals- und Kopfbereich zu schützen und dies irgendwann an den verspannten Schultern merken.
Andererseits können wir unser Erleben ändern, wenn wir ängstlich werden und dann bewusst eine andere Haltung einnehmen und auch unsere Mimik ändern, auch wenn uns gar nicht danach ist. Wenn wir uns aufrichten, uns im Brustraum weit machen, die Schultern nach unten bringen, lächeln, die Mimik sich entspannt, dann verarbeitet unser Gehirn dies als die Wirklichkeit und wir entspannen.
Auch in unserer Umgebung, bei unseren Mitmenschen, wird die entspannte Haltung wahrgenommen werden und diese können ebenfalls entspannen, denn wir signalisieren schon von außen, dass keine Gefahr droht.
Unsere Haltung zu uns selbst kann daher sehr viel bewirken. Ruhe und innerer Frieden gehen immer von jedem selbst aus. Wenn wir selbst innerlich ruhig werden, dann kann auch äußerlich, in der Welt um uns herum Ruhe und Frieden entstehen.
Diese innere, ruhige Haltung kann mit Yoga geübt werden. Dies ist ein Prozess, der abhyasa, beharrliches Üben und vairagya, Gleichmut, Gelassenheit verlangt, PYS 1.12.
Hierzu dann mehr im nächsten Blogbeitrag.